Critical Role

Critical Role

Die Sozialisation meines 14-jährigen Ichs wäre sicher noch etwas anders verlaufen, wenn es damals schon das Internet in der heutigen Form gegeben hätte. Zu sehen, wie andere Menschen in ihrem Nerdkram aufgehen, hätte mich nachhaltig beeindruckt.

Jüngst stolperte ich über Critical Role, eine Streaming-Serie des bekannten YouTube-Kanals Geek & Sundry. Was passiert da? Eine Handvoll Menschen setzen sich an einen Tisch, spielen stundenlang das Pen & Paper Rollenspiel Dungeons & Dragons und veröffentlichen und streamen ihre Sessions als Video im Netz.

Diese Menschen sind allesamt professionelle Synchronsprecherinnen und Synchronsprecher, die vor allem im Bereich Cartoons und Videospiele tätig sind. Nicht nur verleihen sie ihren Charakteren sehr prägnante Stimmen, sie bringen auch ein gutes Maß an Improvisationstalent mit, das sich insbesondere in den ausgespielten Dialogen bezahlt macht.

Besonders hervorzuheben ist dabei Dungeon Master Matthew Mercer. Nicht nur schafft er es, unzählige NPCs zu verkörpern, die kruden und verrückten Ideen der Party aufzufangen und einen guten Flow ins Geschehen zu bringen. Mercer sorgt dafür, dass jeder Charakter seine eigene persönliche Geschichte erlebt, die das Identifikationspotential steigert. In Sekundenbruchteile übersetzt er ein zufälliges Kampf-Würfelergebnis in eine glaubwürdige, zuweilen filmreife Actionszene. Ein wahrer Meister des Meisterns sozusagen.

Die erste Kampagne von Criitcal Role startete 2015 und nahm 2017 ein Ende. Die Geschichte entfaltete sich in über 100 Folgen, die jeweils ca. 4 Stunden lang sind. Die Folgen haben mehrere 100.000 Views, es gibt eine lebhafte Community, die das Team mit Fan-Art und -Fiction versorgt. Anfang 2018 startete die neue Staffel.

Critical Role ist nur die Spitze des Eisbergs. Auf YouTube und Twitch kann man sich hunderte Kampagnen der unterschiedlichsten Rollenspielsysteme reinziehen, dieser Artikel von The Verge gibt einen ersten Überblick. Auch in verschiedenen Sprachen gibt es ordentlich Auswahl – da sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein. Ich vermute mal, dass der inzwischen rund vierzig Jahre alten Idee hinter Pen & Paper kaum etwas besseres hätte passieren können. Die Popularität der Webshows dürfte die Kundschaft der Verlage fürs nächste Jahrzehnt gesichert haben.

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